Textproben

Drohnen - Was für eine tolle Sache!

Seit die Drohnen erfunden wurden, herrscht Begeisterung. Denn kaum entwickelt, waren sie auch schon für jedermann erwerbbar.

Herrlich, so von oben in die Gärten der Nachbarn schauen zu können! Aufregend, heimlich filmen zu können, wer wo ein- und ausgeht … Sehr nützlich auch, ein noch pochendes Herz oder eine tiefgekühlte Leber von einem zum andern Spital durch die Luft sausen zu lassen, damit das Organ dort schnell genug eingebaut werden kann. Alles schon so geschehen!

Phantastisch zudem, wie die Post nun Pakete per Drohnen bis nach Juf ins Avers schicken könnte, ohne dass ein Pöstler klamme Finger kriegt. Und lässig, wie verbotene Sachen, Drogen oder so, herbestellt werden können, direkt vor die Haustüre! – Umgekehrt könnten leider auch wichtige Depeschen ans Bundeshaus unbemerkt im Garten eines Whistleblowers landen. Alles eine

Frage der Steuerung.

Jedoch genau deshalb müssen die Behörden nun Fangnetze entwickeln: Zum Aufgreifen gefährlicher Drohnen. - Offenbar soll es tatsächlich möglich sein, dank einem ausgeklügelten Fadengespinst, raufgeschossen aus einer Minikanone, Drohnen direkt aus der Luft in ein Netz zu schnappen. Ähnlich, wie man früher Schmetterlinge gefangen hat. Was für einen lustigen Verkehr wird es bald über unseren Köpfen geben!

Auch über Flugplätzen! – Denn die Dinger schweben unter dem Radar durch. So könnten bald ein paar Lausbuben den internationalen Flugverkehr lahmlegen!

Und bitte, rennen Sie weg, wenn eine abstürzt! Es könnte mehr als eine Beule geben, manche dieser Dinger wiegen glatte zehn Kilo.

Gleichzeitig aber erwägt nun die Polizei, Drohnen zu nutzen, nämlich um Verbrecher zu jagen! Das heisst, es werden Versuche gestartet, in wie weit man mit diesen praktischen Flugobjekten einen Dieb verfolgen kann (vorausgesetzt natürlich, dass der Dieb nicht in einen Keller, in die U-Bahn oder durch die Kanalisation entschwindet). Aber Vorsicht! Die Polizei könnte dabei glatt Gefahr laufen, ein korrekt fliegendes Herz zu kapern, statt einen Dieb. Denn bald werden so viele Drohnen über der Stadt sirren, wie Fliegen über dem Mist.

Dazu kommen diese Fangnetze; mit denen wird dann fröhlich zur Jagd geblasen, ein trendiger Freizeitsport! - Mit einigen Pannen im Luftraum müsste man allerdings rechnen, denn die Fangnetze könnten sich ineinander verheddern.

Also müssten Verkehrsregeln geschaffen werden, und diese sollten schon im Kindergarten publik gemacht werden, denn Drohnen kaufen kann jedes Kind – und in den neuen Verpackungen werden garantiert Fangnetze gleich mitgeliefert! Marktnischen sind schnell entdeckt.


Die letzte Verbindung

Es ist spät in der Nacht. Später kann man gar nicht heimfahren. Da und dort auf den Sitzen und überall am Boden liegen ‚20-minutes‘ und Teile von anderen Zeitungen; Bier- und Cola-Dosen kollern umher und feucht-fröhliches Gegröle hallt durch die Waggons.

Um etwas Ruhe zu haben, wähle ich den Zweiersitz, wo man wie im Flugzeug nichts als die Rücklehne des Vordermannes vor sich hat. Trotzdem bleibe ich nicht allein: Ein junger Mann fläzt sich neben mich. Der intensive Rauchgeruch, den er mitbringt, mischt sich in meine Aura …

Nun weiss seit den Sechzigerjahren jeder, dass man sich schützen kann, indem man sich vorstellt, man befinde sich in einem grossen Ei. - Oder in einer goldenen Kugel…

In meiner Vorstellung probiere ich also mal so ein Ei hinzukriegen. Erst muss natürlich der Dotter raus, und das Eiweiss… Als ich endlich gemütlich in dem Ei drin sitze und mich wohlig geborgen fühle, gibt er mir einen Puff mit dem Ellbogen:

„Na, Schatz, wie hast denn DU den Abend verbracht?“ - Bestimmt hat jetzt meine Eierschale seitlich ein Loch!

Obwohl uns mindestens 50 Lebensjahre trennen, will er mir nun einen Schluck aus seiner Bierdose anbieten. Das gereicht mir zur Ehre und wärmt mir das Herz. Trotzdem lehne ich dankend ab indem ich ihm meine Wasserflasche zeige (es ist gut, immer Wasser dabei zu haben!). Gleichzeitig versuche ich es jetzt mit der goldenen Kugel. Während wir eine einfache Konversation treiben und er mir ‚Prosit‘ wünscht, wobei er seine Bierdose an meine Petflasche knallt und meinen Vornamen wissen will, gelingt mir eine schöne, stabile Kugel aus Gold in meinem Geist.

Doch wie ich diese vergrössere, tut er mir leid. Ich möchte ja nicht schuld sein, wenn er vom Sitz runter fällt, weil ich plötzlich so viel Platz einnehme mit dieser Kugel. Ich lasse sie also wieder verschwinden. Was übrigens viel einfacher geht, als sie entstehen zu lassen.

Kaum aber dass die Kugel weg ist, lehnt der junge Mann vertraulich seinen Kopf an meine Schulter - und ist augenblicklich weg. Ganz nett, ein bisschen menschliche Wärme und Vertrautheit zu später Stunde… Mitfühlend dimme ich meinen Atem hinunter auf flach, damit keine Bewegung meinerseits seinen Schlaf stören möge.

So fahren wir durch die Nacht.

Dieser letzte Zug hält an allen Stationen, entlässt Menschen in schlafende Ortschaften; fröhliche, überstellige, traurige, müde, - mitunter taumelnde… Und irgendwann muss auch ich aussteigen. Indem ich nun behutsam seinen Kopf von meiner Schulter nehme und an die Rückwand des Sitzes schiebe, sage ich leise: ‚Guten Heimweg‘. - Er aber verschläft diesen Abschiedsmoment.

Im Nebencoupé palavern seine Kollegen. Einer zwinkert mir zu und hebt leicht den Daumen; sie werden ihn also wecken an der entsprechenden Station. Ich kann unbesorgt gehen.